Logo: Makura

Error Music – don’t delete!

Person die Regler betätigt

Wie klingen das Knirschen einer Walnuss unter der Schuhsohle, die Spülung der Schultoilette, die Blätter der Bäume im Wind? Konzentriert machen sich Mädchen, Transgender-, intergeschlechtliche und non-binäre Kinder auf eine akustische Reise durch ihre Alltagsumgebung und nehmen Geräusche mit dem Handy auf, um potenzielle Elemente einer zukünftigen Komposition aufzuspüren.

„Deep Listening“ nennt die Berliner Musikerin und Produzentin Yosa Peit nach der texanischen Komponistin Pauline Oliveros Übungen, mit denen Alltagsrauschen zu Sounds destilliert wird. Zum Einsatz kommen sie im Projekt „Error Music – don’t delete!“, das sie 2019 ins Leben gerufen hat. In dem fünftägigen Sound- und Tech-Workshop für Mädchen und nicht-binäre Jugendliche in ausgewählten Berliner Schulen und Mädchentreffs stehen außerdem auf dem Programm: elektronische Instrumente, Tech-Pionierinnen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Coden, Spielen und Performen.

Direkte Wirkung des eigenen Tuns

Wenn die Teilnehmer:innen zum ersten Workshoptag erschienen, wüssten sie in der Regel nicht, was sie erwartet, so die künstlerische Leiterin Peit – und erst recht nicht, wie man programmiert, Beats oder mit Touchboards Instrumente baut. So sei die Reise der Teilnehmer:innen bei „Error Music – don’t delete!“ mit einer steilen Lernkurve, aber auch mit viel Spaß verbunden.

Wichtig dafür sind praktische Ansätze nach dem Motto „What you hear is what you get“: Die Teilnehmer:innen bekommen direkten Output ihres Tuns, wenn sie mit der Musik programmieren oder mit einer Open-Source-Software in Echtzeit Klangfolgen erzeugen: Sie hören, was sie machen.

Im Workshop eignen sich die Jugendlichen mit verschiedenen Methoden einen Werkzeugkasten zur Soundproduktion an. Beim Tüfteln mit Eierkartons, Alufolie und Kupferband kann es schon einmal zu Frustmomenten kommen, wenn etwas nicht sofort funktioniert, oder zu alterstypischer Ablehnung gegen Basteln; aber der beherzte Einsatz der Klebepistole sowie die Umsetzung eigener Ideen wie ein oktopusförmiger Controller gleichen diese wieder aus.

Begleitet wird der Workshop von Theorieeinheiten, etwa zu Frauen aus Technik- und Musikgeschichte wie Clara Rockmore, der ersten Virtuosin des berührungslos gespielten Theremins, eines frühen elektronischen Musikinstruments.

Fehlerfreundlichkeit als Leitmotiv

Die Teilnehmer:innen mit solchen potenziellen Vorbildern bekannt zu machen, ist der Leiterin Yosa Peit, die sich ihre musikalischen und technischen Kenntnisse autodidaktisch angeeignet hat, wichtig. Immer wieder stellt sie in ihrem Umfeld an der Schnittstelle von Musik und Technik einen Mangel an Kolleginnen fest. So entstand die Idee zu „Error Music – don’t delete“ – als Initiative, die gezielt Mädchen und nicht-binäre Jugendliche darin fördert, sich im Bereich der elektronischen Musik auszuprobieren.

Der Name des Projekts ist auch eine Aufforderung, produktiv mit Fehlern umzugehen. Denn aus vermeintlichen Fehlern beim Produzieren können sich wertvolle Zufallsfunde ergeben. Das Programmieren lebe geradezu vom Fehlermachen, so Peit – und wer schon einmal gejubelt hat, wenn beim zwanzigsten Umschreiben einer Codezeile zumindest nicht mehr dieselbe Fehlermeldung erscheint, kennt dieses Moment des „Trial, Error and Success“.

Lernen und Performen unter Profibedingungen

„Error Music – don’t delete“ wurde seit seinem Pilot in verschiedenen Schulen und Jugendzentren durchgeführt, dank Förderung aus dem Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung.

Partner:innen sind neben der Kulturinitiative „Acud macht neu“ die gemeinnützige Bildungseinrichtung Junge Tüftler:innen sowie das Amplify-Programm, deren Mentor:innen die Jugendlichen neben Yosa Peit begleiten. An den Workshops nehmen meist zehn bis zwölf Jugendliche teil; je nach Alterszusammensetzung der Gruppe werden Inhalte flexibel angepasst. Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt, aber berücksichtigt – etwa, wenn ein:e Teilnehmer:in ein Instrument spielt.

Am Ende des Workshops geht es für die Teilnehmer:innen mit ihrem eigenen Set auf die Bühne – nicht in der Aula oder im Freizeittreff, sondern in professioneller Umgebung im Club von „Acud macht neu“ in Berlin-Mitte, inklusive Soundsystem und Lichtanlage. Das zu erleben, sei immer beeindruckend, so Produktionsleiterin Juliane Springsguth. Dass aus den Jugendlichen selbstbewusste Performer:innen werden, die keine Angst vor Fehlern haben, liegt vielleicht auch daran, dass sie im Projekt ernst genommen werden. So drückt sich die Wertschätzung gegenüber den jungen Teilnehmer:innen auch in der professionellen Lernumgebung aus: von der Begleitung durch pädagogisch und künstlerisch versierte Mentor:innen bis zur State-of-the-Art-Nebelmaschine.

Fakten

Fakten zum Projekt

Projektteam:

"Error Music"-Gründerin Yosa Peit, Acud macht neu, Bildungsinstitution Junge Tüftler:innen, Amplify Mentoring-Programm

Förder:innen, Fördersummen:

Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, Korg, Ableton

Ressourcen:

Professionelles Equipment zur Musikproduktion, interaktive Touchboards, Material zum Bauen von Instrumenten, professionelles Soundsystem und Bühne für Aufführungen

Zielgruppen:

Mädchen, Transgender-, intergeschlechtliche und non-binäre Kids im Teenager-Alter

Kunstsparte:

Musik

Projektzeitraum:

Seit 2019

Webpräsenz:
Kontakt:

Acud macht neu
Error Music – don’t delete!
Produktionsleitung: Juliane Springsguth
Künstlerische Leitung: Yosa Peit
Veteranenstraße 21D
10119 Berlin
E-Mail: errormusic@acudmachtneu.de