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hArt times theater: „Wer hat Angst vor Gendergames?“

Grün glänzende Puppen

Gender, Beziehungsmuster und Hollywood

Das hArt times theater arbeitet als Projekt der Kontaktstelle Gruppe Soziale Selbsthilfe gGmbH seit mehr als 20 Jahren erfolgreich mit Menschen, die über Psychiatrieerfahrung verfügen. Das Theaterensemble bildet eine große Vielfalt ab: Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, sexueller Orientierung und Genderidentitäten spielen zusammen, nicht professionelle Performer:innen mit erfahrenen. Die älteste Performerin der Gruppe ist fast 80 Jahre alt.

Das Theaterstück „Wer hat Angst vor Gendergames?“ untersucht Geschlechterrollen und Beziehungskonstellationen in Anlehnung an den Filmklassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“: Projizierte Ausschnitte der deutschen Filmfassung werden auf der Bühne szenisch interpretiert, die Filmfiguren durch wechselnde Rollenübernahme und chorische Sprechweisen dekonstruiert. Zugleich richtet sich der Blick auf die im Film spielenden Hollywood-Ikonen Liz Taylor und Richard Burton wie auch auf eigene Genderorientierungen und Kindheitserfahrungen der Performer:innen.

Kooperationen und neue Perspektiven

Für dieses anspruchsvolle inklusive Inszenierungskonzept arbeitete das Ensemble mit dem Schauspiel Hannover zusammen. Spielerfahrene professionelle und nicht professionelle Performer:innen traten gemeinsam auf, die Arbeit „hinter den Kulissen“, also Regie, Bühnen- und Kostümbild sowie Sound, wurde von erfahrenen Theatermacher:innen des hArt times theaters übernommen.

Das hArt times theater ist es gewohnt, auf professionellen Bühnen zu agieren. In diesem Fall kooperierten Frank Matzke und Camilla Hiepko als Spiel- und Projektleiter:innen des hArt times theaters mit Nora Khuon, die als Chefdramaturgin des Schauspiels Hannover die Proben begleitete.

Frank Matzke und das Team suchen bewusst diesen Austausch: „Wir wollen ambitionierte Projekte, die qualitativ gut sind, mit Kulturträgern zusammenbringen.“ Das Spielen auf der Bühne des Schauspiel Hannover und der stetige Austausch mit dem Haus ermöglichte „noch mal eine andere Wahrnehmung auf unsere Arbeit“. Parallel zur Inszenierungsarbeit fanden verschiedene Hospitationen und zum Teil auch Mitwirkungen in Inszenierungsformaten am Schauspiel Hannover statt.

Die Zusammenarbeit wurde von allen Beteiligten als so wertschätzend und positiv empfunden, dass sie fortgeführt wird. Geplant ist eine Workshopreihe mit abschließenden Aufführungen zum Thema "Stimme erheben" für Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne Psychiatrieerfahrung.

Fakten

Fakten zum Projekt

Projektträger

hArt times theater – Kontaktstelle Gruppe Soziale Selbsthilfe gGmbH in Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover

Förderung

Finanzielle Unterstützung des Projekts „Wer hat Angst vor Gendergames?“ durch den Fonds Soziokultur, die Region Hannover, das Kulturbüro Hannover, die Hannover Stiftung sowie die Kulturstiftung des Bundes und das Land Niedersachsen in Höhe von insgesamt rund 48.000 Euro

Zielgruppe

Menschen mit und ohne Psychiatrieerfahrung, professionelle und nicht professionelle Künstler:innen

Kunstsparte

Theater, Performance, Musiktheater

Projektzeitraum

2019–2021

Weitere Veröffentlichungen

Video-Mitschnitt „Wer hat Angst vor Gendergames?“
https://vimeo.com/657417492/0983d06bad

Kontakt

Frank Matzke
hArt times theater – Kontaktstelle
Anna-Zammert-Str. 31
30171 Hannover
Telefon 0511/813993
matzkeflaco@yahoo.de

Alle sind Teil des Ganzen

Die Kontaktstelle als Träger des Projektes richtet sich an Menschen in psychosozialen Krisen, gibt Struktur und ermöglicht ein vorurteilsfreies Miteinander. Dreh- und Angelpunkt für die Ensemblebildung der Theaterprojekte sind die wöchentlichen Treffen im Rahmen einer offenen Gruppe. „Wir machen kein Casting. Die, die bleiben wollen, können bleiben“, erklärt Regisseur Frank Matzke den Prozess. „Wir gehen davon aus, dass jeder seine Qualität mitbringt.“

Entsprechend ist die Anzahl der Teilnehmer:innen mal höher, mal niedriger. Viele Akteur:innen sind jedoch schon seit mehreren Jahren dabei. „Wir sind alle Teil des Ganzen“, erläutert Matzke, „wir wollen in einem Theaterprojekt arbeiten und haben ein gemeinsames Ziel. Konflikte sind Teil der Arbeit, aber man wird hier nicht als kranker Mensch betrachtet.“ Ganz oben stehe der künstlerische Ansatz, der Spielvorgang: „Wenn Leute in die Theatergruppe kommen, spielen Diagnosen keine Rolle. Wir arbeiten nicht therapeutisch, sondern machen künstlerische Arbeit. Dass das auch therapeutische Effekte hat, ist unbestritten.“

Mehr Mut und Bereitschaft, etwas aufs Spiel zu setzen

Was braucht es, damit inklusive Performanceprojekte gelingen können? Eine „Doppelbefähigung“ aufseiten der Spielleiter:innen in Form von „künstlerischer Expertise und sozialer Wahrnehmungsfähigkeit“, so Frank Matzke. Er ergänzt, dass auch die grundlegende Haltung geklärt werden sollte: „Hat man einen pädagogischen oder künstlerischen Ansatz? Beides schließt sich nicht aus, aber die Wege sind unterschiedlich und es entstehen komplett unterschiedliche Arbeiten.“ Daran schließen sich dann weitere Fragen an: „Wie definiert man Inklusion? Versteht man das sozialpädagogisch und nutzt das Theater als Methode, zum Beispiel, um Aggressionen abzubauen oder um psychische Befindlichkeiten zu verändern? Oder entwickelt man ein Gespür, wie künstlerische Konzepte das individuelle Wohlbefinden und den Gemeinsinn fördern können?"

Frank Matzke sieht in der inklusiven Arbeit eine besondere künstlerische Chance: „Aus dem gemeinsamen theatralen Arbeiten und dem bewussten Sich-Einlassen auf den Prozess entwickeln sich eigene Ästhetiken.“ Dafür braucht es jedoch den Mut und die Bereitschaft, einen „künstlerischen Versuchsballon“ steigen zu lassen: „Da setzt man was aufs Spiel, aber das ist ja der ernste Hintersinn des Spielgedankens.“