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In Hamburg gibt es kulturelle Bildung zum Entdecken

Kulturelle Bildung in Hamburg

Die Hafenmetropole Hamburg ist auch ein kultureller Umschlagplatz: International renommierte Kultureinrichtungen, experimentelle Produktionshäuser und lokale Strukturen kultureller Teilhabe halten den Stadtstaat in Bewegung. Kinder und Jugendliche werden hier als Kulturpublikum und mit ihren eigenen Zugängen zu ästhetischer Erfahrung ernst genommen. So fördern viele Angebote kultureller Bildung eine aktive Teilhabe und sprechen den Forscher:innen- und Entdecker:innengeist ihrer Zielgruppe an.

Der großen Bandbreite und der inhaltlichen Vielgestaltigkeit der Angebote kultureller Bildung in der Hansestadt – von der überaus vitalen Kinder- und Jugendtheaterszene über die flächendeckend wirkenden Angebote der Stadtteilkultur bis hin zu den unterschiedlichsten Vermittlungsformaten einer starken Museums- und Musiklandschaft – kann an dieser Stelle leider nicht detailliert Rechnung getragen werden. Pars pro toto können hier nur einzelne Projekte näher fokussiert werden:

Dinosaurier und Wasserwaage: Ein Museum als Schatztruhe

Eine Gruppe Zweitklässler:innen stürmt ungebremst durch den Ausstellungsraum wie auf dem Schulhof beim Pausengong. Die Kinder stürzen sich auf museal platzierte Gegenstände, um sie anzufassen, mitzunehmen und andernorts neu zu arrangieren. Der Lautstärkepegel ist hoch, die Schwelle, den Sammlungsobjekten nahe zu kommen, niedrig – denn in der „wunderkammer“ im obersten Stockwerk des Altonaer Museums ist Mitmachen ausdrücklich erwünscht.

Die „Einladung zum Staunen, Sammeln und Spielen“, welche die 2021 als gemeinsames Projekt des Altonaer Museums und der Gabriele Fink Stiftung eröffnete Ausstellung ausspricht, wird gut angenommen. Die „wunderkammer“ bietet Raum zum Malen und Schreiben, eine Leseecke und nicht zuletzt: Hunderte von Gegenständen, von alltäglich wie Stofftier bis eigentümlich wie – ja, was ist das eigentlich? – ein Gebilde aus Schalltrichtern, das sich bei genauerem Hinsehen als Murmelbahn entpuppt.

Da gilt es erst einmal, sich einen Überblick zu verschaffen. Das können die jungen Besucher:innen, wie ein Fernsehbeitrag mit dem Titel „Ausstellung zum Anfassen: Wunderkammer im Altonaer Museum“ des NDR Hamburg zeigt, auf einem hoch gelegenen Ausguck, an dem ein Fernrohr angebracht ist: Was gibt es hier sonst noch? Wohin als nächstes? Mit Eimern ausgestattet, machen sich die Kinder auf „Fangreise“ durch die „wunderkammer“, um Objekte, die sie besonders ansprechen, einzusammeln. Die Wahl eines Schülers fällt entschieden aus: Am meisten interessieren ihn die Dino-Figuren und eine Wasserwaage – Letztere kennt er durch seinen Opa. Wie die von ihnen ausgewählten Gegenstände zueinander passen, können die Kinder im weiteren Verlauf ihres Besuchs herausfinden, indem sie diese in der Gruppe diskutieren und zu eigenen kleinen Ausstellungen zusammenstellen.

Die Räume sind auf Grundlage der Konzepte Mut, Erkenntnis, Glück und Freundschaft gestaltet, die in den Gegenständen greifbar werden sollen. In ihrer Reise durch die Ausstellung können Kinder spielerisch die Welt hinterfragen und eigene Ordnungen schöpfen, vor allem aber in den hohen Genuss des Selbermachens kommen.

Ästhetische Forschung: Kulturelle Bildung zum Entdecken

Den Forschergeist mit ästhetischen Erfahrungen anzuregen und dabei Zugangsbarrieren zu Kunstorten abzubauen, sind auch Ziele des Programms „Kunstpioniere“, das 2018 auf Initiative der Behörde für Schule und Berufsbildung und mit Unterstützung der Claussen-Simon-Stiftung gestartet ist. Schüler:innen aller Jahrgangsstufen setzen sich im Rahmen einer Kooperation zwischen ihrer Schule und einem der 16 teilnehmenden Hamburger Museen, Galerien und Ausstellungshäusern mit zeitgenössischer Kunst auseinander. Dabei werden sie selbst zu Forscher:innen, Vermittler:innen und Künstler:innen, wenn sie auf Grundlage ihrer Erfahrungen mit künstlerischen Strategien eigene Ausstellungen verwirklichen.

Zusätzlich ermöglicht das Angebot „Kunstpioniere PLUS“ besonders begabten Schüler:innen aus dem Programm, in einem Intensivworkshop eigene künstlerische Projekte zu verfolgen.

Ein weiterer Ort, an dem künstlerische Ausdrucksformen erforscht werden, befindet sich am Platz der Kinderrechte in Hamburg-Hamm. Das dort ansässige Fundus Theater zeigt seit 1980 zeitgemäßes Kindertheater für ein Publikum ab drei Jahren. Seit 2003 erkundet das Fundus Theater zusätzlich mit seinem Forschungstheaterprogramm auf Grundlage der Performancekunst Schnittstellen von Kindheit, Kunst und Wissenschaft. Um generationenübergreifend Forschungsfragen zu untersuchen, die auch Kinder interessieren, entstehen temporäre Einrichtungen mit klangvollen Namen wie die „Akademie der Zerstörung“ oder das „Institut für Sound und außergewöhnliche Musik“.

Ein solches Verständnis von kultureller Bildung als Weg zu einem weiten und offenen Blick für ästhetische Erfahrungen findet sich bereits in dem 2012 vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg verabschiedeten Rahmenkonzept Kinder- und Jugendkultur, das sich aktuell in der Fortschreibung befindet und sich aus der Perspektive der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden mit den Anforderungen an die Kinder- und Jugendkultur in den kommenden Jahren befassen wird. Es betont das Potenzial der Künste, Freiräume und Experimentierfelder zu schaffen.

Dem Fundus Theater ist es dabei besonders wichtig, die jungen Menschen selbst in die Ausgestaltung ihres kulturellen Umfelds einzubeziehen, wie zwei Projekte beispielhaft zeigen: Die Initiative „Das Hamburger Kinder-Konzept der Kulturellen Bildung“ lässt Schüler:innen die anstehende Überarbeitung des entsprechenden Rahmenkonzeptes im Stadtstaat begleiten, kulturpolitische Fragen diskutieren und ein eigenes Manifest für kulturelle Bildung erarbeiten.

In dem Projekt „Die Theaterberater:innen“ sind Kinder und Jugendliche mit nicht deutschem Hintergrund dazu eingeladen, das Fundus Theater mit seinen Workshops und Performances unter die Lupe zu nehmen, ihm ein Zeugnis auszustellen und, mit einem Budget ausgestattet, ihr eigenes Projekt für die nächste Spielzeit zu planen.

Qualität verpflichtet: Von der Spitze in die Breite

Viele weitere Beispiele kultureller Bildungsprogramme zeigen, wie die Hafenmetropole Hamburg mit ihrer großen Bandbreite an klassischen bis experimentell ausgerichteten Kultureinrichtungen von der Spitze in die Breite wirkt.

So ermöglicht das Education-Programm der Elbphilharmonie Kindern in Workshops und mit mobilen Angeboten für Schulen und Kitas frühe Erfahrungen mit Instrumenten, Soundsystemen und dem Komponieren; darüber hinaus umfasst es Konzerte für demenzkranke Zuschauer:innen, Familienworkshops und die Betreuung von Laien-Ensembles aus der Hamburger Stadtgesellschaft.

Bildung und Vermittlung sind auch für die europaweit größte Produktionsstätte der freien darstellenden Künste, dem Produktionshaus Kampnagel, keine separaten Aufgabenfelder, sondern fließen in viele Arbeitsbereiche ein. So bietet das auf Kampnagel angesiedelte Zentrum für Choreographie K3 zeitgenössische künstlerische Praxis und Vermittlung auf hohem Niveau: In seinen Produktionen beziehen Tänzer:innen und Choreograf:innen Kinder, Jugendliche und Erwachsene aktiv in den künstlerischen Prozess ein und bieten hierfür unterschiedliche Formate vom Feriencamp bis zum VHS-Kurs an.

Lokal, urban, kompetent: Kulturelle Bildung in Schule und Stadtteil

Ein weiteres im Hamburger Rahmenkonzept Kinder- und Jugendkultur formuliertes Ziel ist, Kinder und Jugendliche in ihren jeweiligen Lebenswelten zu erreichen und Kultur zum potenziellen Bestandteil ihres täglichen Lebens zu machen.

Eine wichtige Quelle für die Förderung künstlerischer Zusammenarbeit zwischen Hamburger Schulen, Künstler:innen und Kreativen ist dabei der „Projektfonds Kultur & Schule“, der zweimal im Jahr in einem Juryverfahren förderungswürdige Projektanträge ermittelt. Ermöglicht wird die derzeit achte Förderrunde durch zahlreiche Stiftungsgelder und Zuwendungen der Schul- und der Kulturbehörde.

30 Schulen in der Hansestadt haben sich entschieden, zur Stärkung ihres künstlerischen Schulprofils neun Kulturagent:innen anzuheuern, die Kooperationen zwischen Schulen, Künstler:innen und Kultureinrichtungen anbahnen und entsprechende Projektanträge stellen. Die Expertise der Kulturagent:innen wird darüber hinaus strukturell in der TUSCH-Werkstatt eingebracht – einer Sonderform des Programms TUSCH, in dem Theater und Schulen für drei Jahre kooperieren. Besonders innovative Projekte werden im TUSCH-Labor ausprobiert.

Das Junge Schauspielhaus Hamburg wartet mit zahlreichen theaterpädagogischen Angeboten auf, die sich an Schulen und Lehrkräfte, an Familien und spielfreudige Kinder und Jugendliche richten. Als wichtig erachtet für die kulturelle Teilhabe in Hamburg werden daher neben einschlägigen kulturellen Leuchttürmen auch Vor-Ort-Angebote, die zugänglich, attraktiv und hochwertig sind. Zu den bewährten Strukturen der kulturellen Grundversorgung gehören die Hamburger Bücherhallen mit 32 Standorten im Stadtgebiet und einem vielseitigen Angebot für Kinder, Jugendliche, Kitas und Schulen. Daneben gibt es eine große Vielfalt kleiner und großer außerschulischer Akteur:innen, die sich für die Lese- und Sprachförderung einsetzen und im Lesenetz Hamburg zusammenarbeiten. Seit 2007 setzt sich die Initiative „Buchstart“ dafür ein, dass Kinder früh mit Büchern in Kontakt kommen. Jedes Hamburger Kind erhält mit seinem ersten Lebensjahr die sogenannte Buchstart-Tasche mit der kinderärztlichen U6-Untersuchung. 2020 wurde das Programm erweitert: Bei dem in Hamburg verpflichtenden Vorstellungsverfahren der Viereinhalbjährigen, welches unter anderem den Sprachstand der Kinder vor ihrer Einschulung ermittelt, wird den Kindern ein Buchgeschenk überreicht. Flankierend dazu gibt es lesepädagogische Angebote in Hamburger Kitas sowie Schulungen für Pädagog:innen. Ein herausragendes Beispiel für kulturelle Bildung ist die von der Stiftung Kultur Palast projektierte HipHop Academy in Billstedt, die seit 2007 Trainings zu den wichtigsten Ausdrucksformen der Hip-Hop-Kultur von Rap bis Graffiti für Jugendliche anbietet und dabei mit Trainer:innen zusammenarbeitet, die über hohe Anerkennung aus der Szene verfügen. Sie arbeitet hamburgweit und in verschiedenen Kooperationen inzwischen auch über die Welt verteilt.

Außerdem werden in Hamburg seit den Nullerjahren zahlreiche schulische Projekte zur Verbesserung der kulturellen Teilhabe im Land durchgeführt, die Schulen bei der Entwicklung kultureller Profile und Zusammenarbeit mit der lokalen Kulturlandschaft unterstützen. Seit 2015 sind alle staatlichen allgemeinbildenden und Berufsschulen verpflichtet, eine:n Kulturbeauftragte:n als Ansprechpartner:in für kulturelle Bildung zu benennen. Aus der Zusammenarbeit der Behörde für Schule und Berufsbildung mit der Behörde für Kultur und Medien im gemeinsamen, von der Stiftung Mercator geförderten Projekt „Kreativpotentiale Hamburg“ ging als wichtiges Ergebnis der Plan eines Zentrums für Kultur und Vermittlung hervor, das 2023 seine Tore öffnet und die gewachsenen Strukturen kultureller Bildung im Stadtstaat weiter verstärkt.

Portraitfoto von Dörte Inselmann
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